Als erstes von fünf Manifesten veröffentlichte Lucio Fontana (1899-1968) 1946 sein „Manifesto blanco“. Darin erteilte er den überlieferten künstlerischen Gestaltungsmitteln eine radikale Absage. Auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse vertrat er eine raumbezogene Kunst mit Andeutung der vierten Dimension.
Vor diesem Hintergrund hatte Fontana angefangen, die Leinwand zu perforieren. Der nächste Schritt zur Dreidimensionalität waren 1958 die so genannten „tagli“, leicht geschwungene verlaufende Schnitte durch die Mitte des Bildträgers. Die meist mit Gaze hinterlegte Leinwand reagierte ganz unterschiedlich auf die Verletzung. Je nachdem, ob die Schnitte nach vorn, nach hinten oder in beide Richtungen gingen, entstand eine andere Assoziation von Räumlichkeit. Der Raum wird vor dem Bild als offen und unbegrenzt oder als unbestimmbare Tiefe dahinter empfunden. Fontana schuf mit seinen „Concetti speziali“ nicht wirklich unendliche Räume, sondern seine Objekte evozieren durch die Fläche mit Schnitten im Betrachter nur die Idee des Raumes, der sich in der Vorstellung bildet und dann theoretisch unendlich sein kann.