Als Oskar Kokoschka (1886-1980) 1917 dieses Selbstbildnis schuf, lag eine von persönlichen und körperlichen Verletzungen geprägte Zeit hinter ihm. Die leidenschaftliche Liebesaffäre mit Alma Mahler endete 1915 in einem Fiasko und führte bei Kokoschka zu jahrelangen Depressionen. Wie unter Schock stehend, meldete er sich nach der Trennung zum Kriegsdienst und kam an die galizische Front. Nur acht Monate später wurde er durch einen Steckschuss im Kopf und einen Bajonettstoß in die Lunge schwer verletzt. Erst nach einer weiteren schweren Verwundung an der italienischen Front wurde er vom Kriegsdienst befreit. Daraufhin entschloss er sich zu einem Aufenthalt in einem Sanatorium in Dresden, wo er bis 1923 bleiben sollte. Dem Betrachter frontal ausgeliefert, präsentiert Kokoschka sich hier mit nervöser Handhaltung und weit aufgerissenen Augen. Sein psychischer Zustand war nach der Trennung von Alma und den schweren Kriegsverletzungen weiterhin labil. Dies wird nicht nur in dem ängstlichen Blick deutlich, sondern auch durch die Gestik der rechten Hand, mit der er auf die Verwundung seiner Brust zeigt. Hinzu kommt ein im Hinblick auf die Wiener Zeit gewandelter Farbauftrag mit kurzen, aufgewühlten Pinselzügen. Wie in keinem anderen Selbstporträt enthüllt er hier die eigene Ratlosigkeit und innere Verletztheit.